2015/07/18

Autarker Mitschneider: auf der Suche nach Screencast-Werkzeugen

Meine Suche nach geeigneten Screencast-Werkzeugen geht in eine neue Runde: es kann doch nicht so schwer sein, ordentliche Screencasts anzufertigen? Inzwischen gibt es doch schon ein paar Whiteboard Apps, wozu dann noch einen HDMI-Rekorder bemühen?

Nachtrag: Praktische Erfahrungen aus mehreren aktuellen Screencasting-Projekten nachgetragen, siehe unten.
In der Tat tut sich seit einiger etwas im Bereich Whiteboard Screencasting Apps für Tablets. Nur leider sind die jeweiligen Ableger für Windows 8 noch arg eingeschränkt: da fehlt entweder der Videoexport, die Zeitleiste ist nicht vernünftig editierbar, oder aber die Stiftunterstützung schlichtweg schlampig und unbrauchbar.

Aber warum überhaupt Windows?! Es ist momentan die einzige Plattform, für die man große Tablets mit aktiven Stiften bekommt. Samsung bringt offensichtlich keine neuen Stift-Geräte mehr heraus. Und bei Apple versteht man offensichtlich nicht, wozu ein aktiver Stift nützlich ist.

Außerdem ist da immer noch der Fall, dass man von einem PC möglichst rückwirkungsfrei und mit wenig Aufwand aufzeichnen will. Diese Randbedingung hatte ich seinerzeit bei meinem ersten berufliches Video-Projekt.

Bislang habe ich für diese Zwecke von elgato den game capture HD benutzt; leider hat dieser HDMI Rekorder einen wesentlichen Nachteil: er ist nicht autark ohne einen Windows-PC einsetzbar. Die Nachfolgegeräte aus dem Hause elgato kümmern sich lieber um 50 Bilder/s, als um einen einfachen autarken Betrieb.

Am Start: Autarker Mitschneider


Zum Glück gibt es dafür stattdessen von Hauppauge einen komplett eigenständigen HDMI Rekorder: die HD PVR rocket. Sie kann zwar auch auf Wunsch an die USB-Leine eines PCs gelegt werden. Mich interessiert aber gerade der PC-lose Betrieb direkt am ... äh ... gut ... also ... Tablet-PC.

Tablet-Screencasts ohne lästigen PC aufzeichnen.

Die HD PVR rocket ist einfach gehalten: es gibt einen leicht erkennbaren im freundlichen Rot gehaltenen Start/Stopp-Knopf. Auf dem Feld daneben kann man wahlweise die Mikrofonaufzeichnung mit aktivieren. Diese Funktion ist für mich aber eher nachrangig; ob hier überhaupt mein Shure Lavalier-Funksystem mit Line-Pegel anschließbar ist, wage ich zu beweifeln.

Angenehmer Minimalismus. Der USB-Stick ist wie immer extra.

Vorne kommt ein USB-Stick als Massenspeicher hinein und hinten schließt man ein 1A USB-Netzteil über ein gängiges USB-Kabel vom Typ A-B an (Kabel liegt bei). USB-Sticks dürfen wahlweise mit FAT, aber auch mit NTFS formatiert sein. Bei FAT werden die Aufzeichnungen entsprechend geteilt, bei NTFS schreibt die Rocket in einem durch.

Dann noch das Surface Pro 3 per Adapter von Mini-DP auf HDMI an die HD PVR rocket hängen und es kann losgehen. Zum Glück funktionierte dieser Aufbau sofort auf Anhieb, ohne weitere Adapter im Video-Kabel.

Gimme Power! Gimme Signal.

Sobald die HD PVR rocket bereit für Aufnahmen ist, blinkt sie aufreizend grün um ihren Speckgürtel herum. Dann einfach den roten Knopf drücken und schon kann es mit dem Screencast losgehen. Während der Aufnahme wird der Speckgürtel rot.

Das HDMI-Bild kann mit bis zu 1080p30 aufgezeichnet werden, was die europäische Anleitung verpennt, weil sie sich im Vaterland des PAL nur 1080p25 vorstellen kann. Das Surface Pro 3 spuckt aber 30 Bilder/s anstatt 25 Bildern/s aus und so steht es auch korrekt in den Metadaten der aufgezeichneten Videodateien.

Für die Aufzeichnung wird freundlicherweise das MP4-Format benutzt, wobei die HD PVR rocket mit maximal 20MBit/s aufzeichnet. Einstellen lässt sich hier nix, man muss Hauppauge machen lassen. Wer die Kompression beeinflussen will, muss die Rocket dann doch wieder an die PC-Leine hängen.

Meine Tests ergaben im autarken Betrieb zum Glück eine tadellose Qualität, die sich prima weiterverarbeiten lässt. Die kleine Box hat also das Zeug zum Screencast-Gehilfen. Unbearbeitet kommt mir aber grundsätzlich kein Material aus dem Haus, ich bin kein Zuschauerquäler.

Wohin mit dem USB-Stick...?


Eine Frage bleibt noch: wohin mit dem USB-Stick beim Transport? Eingesteckt kann er nicht bleiben, denn das endet rasch in Tränen. Also habe ich die Steckkappe des Sticks kurzerhand mit einem sehr gut klebenden doppelseitigen Klebeband an der Seite der Rakete befestigt. So bleibt der USB-Stick immer am Rekorder und geht keine eigenen Wege in der Tasche mit der ganzen Audio- und Videotechnik.

Nachgetragen: Praktische Erfahrungen


Inzwischen habe ich auch innerhalb mehrerer Screencasting-Projekte einige Erfahrungen mit der HD PVR rocket sammeln können.
  1. Der Kauf hat sich wirklich gelohnt, denn auf diese Weise kann ich nun sehr einfach auch etwas kompliziertere technische Sachverhalte mit handgezeichneten Erläuterungen auf meinem Surface Pro 3 vorführen und als Screencast aufzeichnen. Bisher war das Surface durch den elgato Rekorder blockiert. Mein altes Samsung Note 10.1 2014 dient mir nun in einem Notenständer als Spickzettel, während ich einen Screencast auf dem Surface zeichne.
  2. Die HD PVR rocket hat eine in der Anleitung nicht erwähnte Anlaufverzögerung von rund fünf Sekunden: nach dem Drücken des Knopfes wird der Ring sofort rot, aber die ersten Videoframes werden erst circa fünf Sekunden später aufgenommen! Also muss man am Beginn der Aufnahme erst einmal sechs, sieben Sekunden still halten, ehe man auf dem Surface zu zeichnen beginnen kann und das dann auch wirklich in der Videodatei landet.
  3. Nachdem man seine Vorführung zu Ende gebracht hat, muss man wiederum rund fünf Sekunden warten, ehe man den roten Knopf drückt und die Aufnahme beendet (Kodierungsverzögerung Video). Anscheinend sind die rund fünf Sekunden der internen stufenweisen Verarbeitung in der HD PVR rocket geschuldet, doch der Knopf wirkt sofort. Wenn man also zu rasch die Aufnahme stoppt, dann fehlt das Ende der Aufzeichnung, die noch irgendwo in der rocket auf dem Weg ist.
  4. Ich habe mir nun doch endlich ein USB Däumchen-Laufwerk (Thumb Drive) besorgt, weil der normale Stick einfach zu unhandlich ist. Der Däumeling kann praktischerweise in der HD PVR rocket eingesteckt verbleiben, ohne dass die Gefahr von Beschädigung besteht oder der USB Stick verloren geht.
  5. Das Videomaterial ist problemlos zu verarbeiten und die Kompression für meine Zwecke mehr als zahm. Das mit der HD PVR rocket aufgezeichnete Rohmaterial landet grundsätzlich im Video-Schnittplatz und wird dort dann passend zusammengeschnitten und mit Pausenphasen (Stills) versehen. Rohmaterial geht mir grundsätzlich nicht an meine Zuschauer raus, die haben ein Anrecht auf einen ordentlich geschnitten und sauber eingesprochenen Screencast. Keine Let's Play Billig- und Massenware.
Die HD PVR rocket hat sich bei mir in mehreren Projekten uneingeschränkt bewährt. Sie ist kompakt und funktioniert klaglos. Mit der Anlaufverzögerung lernt man zu leben.

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