2013/10/20

Abendgold & Heldenrot: Protune Grading

Burg Thann, Nürnberger Land. (BY/D)
In meiner losen Reihe «ein Video lügt mehr als tausend Worte» zeige ich dieses Mal, wie man Protune-Videos eine angenehme Abendstimmung verpasst. So bekommt beispielsweise die Burg Thann (siehe Bild) doch gleich mehr Flair.

Im Normalfall wirkt Protune-Material ganz bewusst farblich arg neutral und damit auf viele Betrachter kalt: ein Nachbearbeiten der Farbstimmung ist somit in den allermeisten Fällen schlicht unumgänglich. Und das geht in Kdenlive ganz einfach, ohne jegliches Profitools Jedöns...


Apropos, wo ist eigentlich Kai? Nachdem er wohl eine besonders saure Clementine genascht hat, ist es doch recht ruhig geworden. Wo er doch aus jedem Onkel Hans im Portemonaie-Umdrehen richtige Fottoschopp-Proviehs machen konnte. Rein mit der Macht der Mattemattik. Wir machen das dann mal so ohne Bauer-Duulz, wie der Franke so schön sacht. Nix gegen Landwirte, nur damit das klar ist...

Womit wir bereits mitten drin im Thema sind: um es gleich vorweg zu nehmen ... das Video-Ausgangsmaterial muss natürlich schon bei den entsprechenden abendlichen Lichtverhältnissen aufgenommen worden sein. Insbesondere das Spiel von Licht und Schatten bekommt man nachträglich (noch?) nicht mehr ins Material hinein.

Als Praxisbeispiel dienen mir dieses Mal Aufnahmen der Burg Thann im schönen Nürnberger Land. Dabei habe ich den Ratschlag eines Freundes berücksichtigt und auf ordentliches Abendlicht gewartet. Das ging nicht ohne Versuch und Irrtum ab, erst beim zweiten Mal waren die Lichtbedingungen dann ordentlich. Außerdem wusste ich bei meinem zweiten Besuch in etwa, welche Aufnahmen funktionieren können und welche nicht: das Material des ersten Besuchs war zwar für die Tonne, weil entweder die Aufnahme nicht passte oder das Licht oder gleich beides nicht. Aber auch derartiges Material kann sehr lehrreich sein!

Das Rohmaterial


Protune unbehandelt,
WB raw, 1080p, 50fps, narrow FOV.
Zunächst können wir rechts für ein paar Sekunden das Ausgangsmaterial «bewundern». Unansehnlich, wie Protune-Material halt so ist. Gedreht habe ich dieses Mal in 1080p mit 50 Bildern/s und «schmalem» Blickwinkel (narrow). Wie immer: der «Weißabgleich» bleibt bei mir aus. Protune mit Weißabgleich ist wie nakt Eistauchen, kann man machen, ergibt aber keinen Sinn. Außer, man will die Darwin Arwards gewinnen.

Auch das war eine Lehre aus dem ersten Besuch: 2.7K im Weitwinkel ist nicht immer geeignet, wen wundert's. Wer sich das fertige Video ansieht, wird mir bestimmt zustimmen, dass der eher für die HD Heros untypische schmale Blickwinkel dem Objekt hier viel angemessener ist, als der Hau-drauf-Weitwinkel. Zu dessen Ehrenrettung sei angemerkt, dass die 2.7K-Auflösung zusammen mit dem Defish-Effekt in Kdenlive durchaus auch ganz passabel wirkt.

Die Pflicht


Mit den Standard Protune-Effekten.
Klatschen wir nun in Kdenlive den üblichen Effekt-Stapel für Protune auf dieses Videomaterial drauf, dann bekommen wir ein schon ganz ansehnliches Ergebnis, wie rechts zu sehen ist. Wie gehabt sind das die RGB-Bézierkurve sowie Anheben der Sättigung (Wert: 200) und Nachschärfen.

Nachdem wir es hier mit 1080p-Material zu tun haben, müssen wir beim Schärfen die Parameter anpassen, um nicht über das Ziel hinaus zu schießen: Anzahl 500 und Größe 10 reichen vollauf und vermeiden unschöne Artefakte.

Die Kür: Abendgold...


Abendgold aus dem Werkzeugkasten.
Man kann schon das abendliche Licht erkennen, momentan vor allem aber an den Schatten. Irgendwie wirken die Farben aber noch nicht so gut, also kümmern wir uns jetzt noch darum, die Landschaft in ein noch abendlicheres Licht zu tauchen. Dabei gehen wir aber behutsam vor, denn wir sind hier ja nicht bei CSI:Miami.

Wir reduzieren also den Blauanteil im Bild ganz behutsam, das entspricht einem Verschieben zu Gelb hin. Wie immer erweist uns der Bézierkurven-Effekt gute Dienste. Speziell für diesen Fall arbeiten wir jedoch rein im Blaukanal.

Eine Besonderheit gibt es hier zu beachten: in dieser Szene sitzt der rechte, obere Maximalwert nicht mehr auf der Diagonalen, sondern etwas darunter. Damit bilde ich den Effekt nach, dass das abendliche Sonnenlicht die Farben verfälscht (wobei unser Gehirn ja bekanntlich seinen eigenen, sehr leistungsfähigen Weißabgleich durchführt).

Je nach Szene muss man diesen Endpunkt eventuell wieder nahe unter die Diagnale bringen und die Kurve dafür etwas mehr durchbiegen. Wie immer gilt hierbei: es gibt nicht die «richtigen» Werte, sondern der Zweck heiligt die Mittel. Achtet bitte insbesondere auf den Himmel oder Wolken sowie auf weiße Fassaden. Auf keinen Fall darf das Ergebnis gelbstichig sein oder gar nach Brüderle aussehen.

Jetzt geh' ich mir lieber den Mund mit Seife auswaschen...

...und Heldenrot


Heldenrot aus dem Werkzeugkasten.
Keine Angst: hier geht es nicht um die farblich harmonische Colorierung einer Monty-Python-Szene. Vielmehr scheint GoPro bei seinen Heros im Automatikprogramm der Farbe Rot besonders viel Liebe angedeihen zu lassen. Und die vielen roten Dächer unseres Motivs sind einer Extrabehandlung sicherlich auch nicht abgeneigt.

Detail.
Wir greifen uns erneut einen Bézierkurven-Effekt. Dieses Mal stellen wir als Kanal jedoch die Farbe (Hue) ein. Und nun ist ein wenig mehr Feingefühl gefragt: zunächst setzen wir einen weiteren Kurvenpunkt direkt auf die Diagonale, ganz in der Nähe des Ursprungs links unten. Danach beulen wir die Gerade dort etwas nach unten aus, indem wir am unteren Anker ziehen.

Mit Abendgold und Heldenrot.
Was uns das bringt? Durch diesen Trick werden die nahe an Rot liegenden Farbtöne auf der Seite Orange-Gelb noch etwas mehr in Richtung Rot verschoben.

Das Gesamtergebnis seht ihr dann rechts. Vielleicht fällt euch zunächst gar kein Unterschied auf ... umso besser. Denn hier geht es nur um solche Nuancen, die den Eindruck verbessern. Sie dürfen auf keinen Fall auffällig sein.

Natürlich gibt es auch das ganze Video zu sehen. Viel Spaß beim Guggn und besser Nachmachen!


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