2012/11/02

Bitte stellen Sie das Atmen ein ... (fast)

Was ist eine sehr spezielle Vollmasken-Konstruktion wert, wenn ich in einer Notsituation, wie Luft in den Trocki-Beinen, mich erst einmal oder zusätzlich noch um eine solche gerade dann abblasende Vollmaske kümmern muss?

An anderer Stelle hatte ich bereits den Hinweis des Vollmasken-Herstellers Ocean Reef vorgestellt, dass bei seinen Masken in Kopfstandlage ein freies Abblasen auftreten kann. Laut Ausbildungsanweisung sind in derartigen Situationen das separate Ausatemventil und die 2. Stufe nachzustellen, sowie die Atmung anzupassen:
«f. down/under, with your head down and your feet up (the mask will start to free flow spontaneously from the exhaust valve. Close the valve [gemeint ist das getrennte Ausatemventil] and use the flow adjuster [der 2. Stufe] until the leak stops. Adjust your breathing).» [meine Hervorhebung, Quelle: Ocean Reef: PADI SPECIALTY COURSE IDM Instructor Guide]
Zunächst dachte ich ja auch «wer taucht schon auf dem Kopf?» und hakte dieses spezielle Verhalten der Ocean Reef Vollmasken unter nicht 100%ig idealen Konstruktionen ab. Jede Vollmaske hat halt irgendwo Zicken.

Bis mir dann dämmerte: genau diese Situation tritt in Folge zu großer  Luftansammlung in den Beinen von Trockentauchanzügen auf, wenn Lage und Tarierung verloren gehen.
Achtung! Genau in dieser schon an sich kritischen Lage bei Tarierungsverlust mit Luft in den Trocki-Beinen besteht also laut Schulungsunterlagen von Ocean Reef die Möglichkeit, dass ihre Masken abzublasen (freeflow) beginnen. Und in dieser Situation soll der Taucher dann noch Justagen an der Vollmaske vornehmen, während er möglicherweise bereits nach oben durchschießt.
Also genau das, was man als Taucher dann noch zu der schon brisanten Lage braucht. Interessanterweise reagierten mehrere Taucher, denen ich von dieser Passage aus dem Ocean Reef Unterlagen erzählte, sofort mit den gleichen Überlegungen und der Vereisungsgefahr. Aber vielleicht liegen wir ja alle doch noch gemeinsam daneben.

Meine Meinung: ich persönlich erwarte von meiner Vollmaske, dass sie mich in Notsituationen weder stört noch ablenkt, sondern einwandfrei funktioniert. Wir haben es weder mit Spielzeug noch mit Vitrinenstücken zu tun. Es gibt eine alte Regel: «die Form folgt der Funktion». Die einwandfreie Funktion muss in jedem Fall sichergestellt sein, die Form folgt erst daraus.
Aber es geht ja noch weiter.

Die abblasenden 1. und 2. Stufen kühlen zudem stark ab, da bei der Expansion des Atemgases viel Energie durch das Gas aufgenommen wird (da ist doch etwas von der Vorlesung Thermodramatik im dritten Semester Maschinenbau hängen geblieben). Damit steigt aber die Gefahr des Vereisens an: hier hilft es dann auch kaum, dass durch den unidirektional geführten Atemgasstrom zwar die feuchte Ausatemluft nicht in die 2. Stufe zurückgeführt wird. Erfahrungsgemäß vereisen sehr häufig die ersten Stufen (hier finden wir den höchsten Druckunterschied), so dass jede spezielle Konstruktion an der Vollmaske hier wirkungslos ist.

Bewährte Konstruktion...
...problemloser Kopfstand
Es bedarf wohl kaum des Hinweises, dass andere Vollmasken konstruktionsbedingt diese Eigenheit der Ocean Reef Vollmasken nicht besitzen. Zum Beispiel Dräger, OTS Guardian, Interspiro MK II, Poseidon, ... alle problemlos. Dort vermeidet man ganz offensichtlich eine konstruktive Lösung, bei der Einatem- und Ausatemventile räumlich deutlich voneinander getrennt sind und die deshalb prinzipbedingt empfindlich auf Druckunterschiede reagiert.

Das kann man in der Abbildung nebenan auch schön sehen, nix am Automaten nachgestellt. Hier bläst nichts ab, auch wenn ich eine Kopfstandlage provoziere. Spötter dürfen ruhig anmerken, dass ich offensichtlich aber das Atmen eingestellt habe ... was sich aber anhand des Kraut-Videos als unzutreffend zeigen lässt.


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